Morgens um 6.00 Uhr, der Muezzin ruft vom Minarett der Moschee Sultanahmet die Gläubigen zum Gebet. Für mich heißt das aufstehen, Rucksack packen und das Yücelt Interyouth Hostel in Istanbul im Morgengrauen verlassen. Ein klappriges Taxi bringt mich zum Fähranlegeplatz unterhalb der Altstadt am Goldenen Horn. Im aufsteigenden Frühnebel verlässt die Fähre den Anlegeplatz.

Der Abschied von Europa löst in mir ein zwiespältiges Gefühl aus. Was erwartet mich in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren meiner Reise um die Welt? Wird es mir tatsächlich gelingen, in der Zeit der Flugzeuge und Raketen mit einem derart altmodischen Verkehrsmittel wie der Eisenbahn die Welt zu umrunden?

Knapp 20 Minuten später, nach einer Fahrt durch das schmutzig-braune Wasser der Meerenge von Istanbul, vorbei an nur schemenhaft sichtbaren Schiffen, taucht das mächtige Bahnhofsgebäude von Hydarpasa auf. Es ist 8.00 Uhr und der Toros-Express von Istanbul nach Gaziantep wird bereitgestellt. Es herrscht hektische Betriebsamkeit. Zwölf Waggons sind frisch gewaschen, ihr tiefes Blau glänzt in der Morgensonne. Selbst von der Lokomotive perlt Seifenschaum. Sie wird die zwölf Waggons in 27 Stunden bis nach Gaziantep nahe der syrischen Grenze bringen.

Familien bringen ihre Angehörigen zum Zug. Unmengen von Gepäck, Koffer und Kisten werden durch die Fenster in die Abteile gehievt. Abschiedsszenen auf dem Bahnsteig, Tränen fließen, innige Umarmungen und feuchte Küsse, dazu gute Ratschläge und kleine Aufmerksamkeiten, vom Gurken-fässchen bis zum Fladenbrot. Pünktlich um 8.55 Uhr ertönt ein schriller Pfiff, der Mann mit der roten Mütze gibt das Signal zur Abfahrt, der Toros-Express rollt an zu seiner 1.550 Kilometer langen Reise auf den Geleisen der berühmten Bagdadbahn.

In diesem Augenblick muss ich an den Kriminalroman „Mord im Orient-Express“ denken. Zu den Zeiten, als die Autorin Agatha Christie regelmäßig den Zug benutzte, bildete der Toros-Express das letzte Glied in der luxuriösesten Reise von Europa in den Orient........